Prägung von Elite-Material über Protein-Hydrolysate in sterilen ökologischen Nährmedien
BioVitro_II Projektlogo © H Grüneberg und P Grieger (HUB)
Hintergrund
Vegetative Vermehrungsketten basieren auf Elite-Material, das phytopathologisch einwandfrei sein muss. Kein Produktionsbetrieb soll beim Zukauf von Anbaumaterial ein Risiko eingehen. Beim Aufbau von Mutterpflanzen für die Stecklingsgewinnung wird daher auf In-vitro-Kulturen zurückgegriffen, deren gesunde Bevorratung konventionell unproblematisch ist. Die dabei auf Laborebene eingesetzten Nährstoffkomponenten sowie Wachstumsregulatoren entsprechen nicht dem Grundgedanken der EU-Öko-Verordnung. In Ermangelung organischer Alternativen sind „Meristemkulturen“ von sämtlichen Bio-Zertifizierungsauflagen befreit (Anhang II, 1.8.4). Zwischen In-vitro-Massenvermehrung und In-vitro-Elite-Bevorratung wird nicht unterschieden. Der Herkunft von Vermehrungsmaterial (Saat- und Pflanzgut) im Bio-Anbau wird mit der neuen EU-Öko- Basisverordnung restriktiver gehandhabt. Bis 2035 fallen Ausnahmeregelungen für konventionelle Herkünfte weg. Der Rückgriff auf (konventionelle) In-vitro-Kulturen bleibt hingegen möglich. Dabei kommen derzeit Wuchsregulatoren zum Einsatz, deren Anwendung, auch konventionell, nicht durch eine Listung im Pflanzenschutzmittelverzeichnis legalisiert ist.
Projektziel
Chrysanthemum, Etablierung von Elitekulturen auf organischen Nährmedien, Überführung und Aufbau von Bio-Mutterpflanzen, Stecklingsgewinnung. Erster geschlossener Bio-Produktionszyklus © H Grüneberg und P Grieger (HUB)
Mit dem Projekt BioVitro sollen sterile Nährmedien entwickelt werden, deren Zusammensetzungen der EU-Öko-VO in ihrem Kern entsprechen. Nutritive Basis sind FiBL-gelistete Düngemittel sowie „Produkte und Nebenprodukte pflanzlichen Ursprungs (Kokoswasser, Agar, Zucker). Der Verzicht auf synthetische Wuchsregulatoren ist dabei obligatorisch. Es sollen Vermehrungsketten entwickelt werden, die auf allen Produktionsstufen Bio-zertifizierbar sind. Erfolgreich etablierte ökologische Nährmedien (derzeit u.a. für Chrysanthemum, Nelken, Petunien, Erdbeeren, Kartoffeln) sollen auf ihren prägenden Charakter im Rahmen der Weiterkultur in der Überführungsphase geprüft werden. Hintergrund ist dabei das Ernährungssystem, das in der In-vitro-Phase sehr weitgehend auf Nitrat- und Ammonium-Komponenten verzichtet.
Methode
Organische Flüssigdünger sind häufig Proteinhydrolysate pflanzlichen wie tierischen Ursprungs. Diverse Ausgangsmaterialien bringen in Abhängigkeit von ihrer Aufbereitung Nährstoffcocktails hervor, die nach Sterilmachung von Pflanzen direkt verwertet werden können (eine mikrobielle Umsetzung im Substrat selbst findet nicht mehr statt). Zum Themenkomplex gibt es nur in Ansätzen Vorinformationen, so dass das methodische Verfahren durchweg heuristisch ist. Wir testen Mischungen organischer Düngemittel auf ihre Verwendbarkeit in der pflanzlichen In-vitro-Kultur. Basis stellen die (sehr limitierten) Herstellerangaben zu Nährstoffgehalten dar, die im organischen Segment auch Freisetzungsprozesse beinhalten, die im In-vitro-Bereich so nicht stattfinden. In der auf die Laborphase folgenden Überführungsphase werden Elite-Pflanzen aus konventioneller sowie ökologischer Vorkultur hinsichtlich ihrer Robustheit vergleichend getestet. Dabei kommen Stressoren zum Einsatz (Hitze, Trockenheit, Salz, Lichtmangel), die Prägungen durch unterschiedliche Ernährungssysteme in der In-vitro-Vorstufe aufzeigen sollen.
Derzeitige Ergebnisse
Für Chrysanthemum konnte erstmalig eine Produktionskette entwickelt werden, die auf allen Kulturstufen den Anforderungen der EU-Öko-VO gerecht wird (ohne Ausnahmeregelung für „Meristemkulturen). Das schließt die biozidfreie Etablierung typenechter Sprosse ein (Miniaturisierung, Sprossspitzenkultur). Im In-vitro-Bereich werden bei Chrysanthemum biobasiert Wuchsleistungen erreicht, die etablierte konventionelle Systeme mindestens gleichwertig ersetzen (Frischmasse, Trockenmasse, Wuchshöhe, Nodienzahl). Medienanalysen zeigen, dass von einer organischen Stickstoffversorgung der Pflanzen ausgegangen werden kann (direkte Aufnahme von Amino-Stickstoff). Die unmittelbare (ohne mikrobielle Umsetzung) Verwertung organischer Komponenten (Aminosäuren, Peptide) überrascht in ihrer Effektivität. Eine erfolgreiche Nebenkultur ist auch Rudbeckia.
Für Zierpflanzen-Hauptkulturen (Nelken, Pelargonien, Petunien) stehen Bio-Medien zur Verfügung, die die stabile Bevorratung von In-vitro-Elitematerial ermöglichen (Petunia als Modellobjekt, kommerziell in der Regel generative Vermehrung). Nährböden auf Basis von Protein-Hydrolysaten können sowohl vegan (Ursprung etwa Kartoffel, Zuckerrübe, Soya) als tierisch (Ursprung Kollagen) konfiguriert werden.
Im Nutzpflanzenbereich wird derzeit erfolgreich mit Erdbeeren und Kartoffeln gearbeitet. Beide Kulturen können problemlos vor ökologischem Hintergrund bevorratet werden.
Kartoffel Bestand auf organischen Nährmedien. Prüfklone von Kartoffeln sowie Himbeeren wurden von Robert Mayer/Lubera zur Verfügung gestellt © H Grüneberg und P Grieger (HUB)
Koordinator/in
Partner
Abbildungsquellen
- © Heiner Grüneberg und Patrick Grieger, Humboldt-Universität zu Berlin (HUB)